In einem Artikel vor zwei Wochen hatte ich geschrieben, wie deine Wahrnehmung Träume erfüllt.
In dem heutigen Artikel möchte ich auf dir weitere Aspekte der Wahrnehmung näher bringen. Denn unmittelbar mit der Wahrnehmung verknüpft ist unsere Interpretation des Wahrgenommenen sowie ein damit verbundenes Gefühl. Und auch das hat einen erheblichen Einfluss auf die Erfüllung unserer Träume.
So spielt deine Wahrnehmung mit dir
Alles, was um uns herum geschieht, wird durch unsere Wahrnehmungsfilter geschleust. Nur ein Bruchteil dessen, kommt tatsächlich in unserem Bewusstsein an. Und das, was da ankommt, wird direkt mit einem Stempel versehen. Wahrnehmung und die Interpretation des Wahrgenommenen geschehen nämlich so schnell hintereinander, das wir das gar nicht mitbekommen. Und das ist auch gut so, sonst wären wir absolut handlungsunfähig oder könnten in Notsituationen nicht schnell genug reagieren – zum Beispiel wenn ein Fußball vor uns auf die Straße rollt und wir automatisch auf die Bremse treten. Der Nachteil ist jedoch, dass so auch Dinge in Schubladen landen, wo sie gar nicht hingehören. Hier ein Beispiel:
Ein älteres Ehepaar war mit dem Auto im Wald unterwegs. Es war total verschneit, kalt und die Sicht war schlecht. Sie wollten möglichst schnell nach Hause. Plötzlich sprang ein nackter Mann aus dem Wald auf die Straße. Das Paar war total erschrocken und empört, wie sich jemand diese Dreistigkeit erlaubt, sie derart zu belästigen. Kopfschüttelnd fuhren sie weiter. Am nächsten Tag stand ein Artikel in der Zeitung: Ein Mann wurde auf einem Waldspaziergang ausgeraubt und ist in der Kälte erfroren, da kein vorbeifahrendes Auto ihm Hilfe angeboten hat.
Das ist ein extremes Beispiel. Doch es verdeutlicht sehr gut, wie automatisiert der Prozess abläuft. Das Paar sieht: „Nackter Mann im dunklen Wald“. Es interpretiert sofort „Spinner“ und handelt dementsprechend „Schnell weg hier“. Hätten sie eine Sekunde innegehalten und noch mal genau hingesehen, dann wäre ihnen möglicherweise aufgefallen, dass der Mann hilfebedürftig aussah.
Du kannst selbst ausprobieren, wie schnell du Wahrgenommenes interpretierst: Gehe durch deinen Raum und sprich laut aus, was du siehst – ohne zu bewerten. Zum Beispiel: Ein grüner Teppich, eine rote Pflanze, ein bis zur Hälfte befülltes Glas, ein behangener Wäscheständer, ein bläulicher Fleck auf dem Boden, ein Fahrrad mit braunen Spritzern. Und, wie klappt das? Ganz oft schleichen sich schon während der Wahrnehmung Gedanken ein wie „Der Teppich ist hässlich, das Glas ist ja nur halbvoll, die Wäsche sollte da nicht hängen, Boden und Fahrrad sind dreckig“.
Es ist unglaublich schwierig nicht sofort zu interpretieren und es lohnt sich sehr, diese 2 Schritte bewusst auseinander zu nehmen. Denn es geht noch weiter: die Interpretation der wahrgenommenen Reize löst sofort ein Gefühl in uns aus. Ablehnung, schlechtes Gewissen, Ekel, Neid, Trauer, Freude, Wut, Angst, Eiversucht, Unverständnis, Glück, Zuneigung, … Und dieses Gefühl ist schließlich der Antreiber für eine Handlung: Aufräumen, Putzen, Weglaufen, Helfen, Lachen, Singen, Tanzen, Träume erfüllen, …
Der Wahrnehmungsprozess im Überblick
Hier noch mal als Zusammenfassung:
1. Unsere Sinne nehmen Reize aus unserer Umgebung auf ->
2. unsere Filter entscheiden, was davon in unser Bewusstsein gelangt (ca. 7%) ->
3. Dort wird sofort mit Erfahrungen verglichen und interpretiert, damit das Wahrgenommene einer Schublade zugeordnet werden kann ->
4. Das wird sofort mit einem Gefühl besetzt ->
5. Handlung wird ausgelöst.
Auf diesem Weg gibt es viele Möglichkeiten für Missverständnisse. Es ist unschwer zu erkennen, das die Handlung, die am Ende steht, möglicherweise nicht mehr viel mit dem zu Tun hat, was zu Beginn an Reiz da war.
Deine Chance: Interpretiere die Dinge so, dass du davon profitierst!
Interpretationen und Gefühle sind sehr individuell. Und wenn du dir bewusst bist, das du wahrgenommene Reize automatisch interpretierst und sie ebenso automatisch Gefühle in dir auslösen, kannst du anfangen mit ihr zu spielen, anstatt dich von ihrem Spiel bestimmen zu lassen. Ein Reiz in deiner Umgebung führt dazu, dass du genervt bist? Interpretiere ihn anders! Meine Yogalehrerin sagt zum Beispiel: „Wenn in der Meditation jemand nießt und du dich dadurch gestört fühlst, dann freue dich künftig über solche Unterbrechungen, da sie dich daran erinnern, ganz bei dir zu sein“. Seitdem lächle ich über jeden Nießer, der mich noch ein Stückchen tiefer in die Meditation führt.
Das Gleiche gilt für deine Traumerfüllung: Wenn du eine Absage von einem Verlag bekommst, dann kannst du interpretieren: „Das Buch ist nicht gut genug“, dich schlecht fühlen und keine weiteren Versuche mehr unternehmen. Oder du kannst interpretieren „Das Buch passt nicht in deren Repertoire“, dich gestärkt fühlen und weiter suchen. Stefan Frädrich – Autor von den Günter Büchern – hat in einem ersten Anlauf nur Absagen von Verlagen kassiert. Er hat sein Buch dann selbst herausgebracht und so wurde der Gabal Verlag auf ihn aufmerksam. Heute sind seine Bücher Besteller.
Hier noch ein Beispiel: Letztens war ich auf einer Netzwerkveranstaltung. Wir standen zu dritt zusammen und haben uns zu unterschiedlichen Themen ausgetauscht. Als der Herr ging, sagte meine Kollegin. „Das war aber ein merkwürdiger Typ“. „Ach ja?“ „Hast du denn die Kette nicht gesehen?“ Er hatte eine christliche Kette um den Hals und wurde von ihr direkt in die entsprechende Schublade gesteckt, die offensichtlich nicht positiv besetzt war. Dadurch hatte sie gar keine Möglichkeit mehr, sich wirklich auf die Unterhaltung einzulassen. Solche Meinungsverschiedenheiten kennst du sicherlich auch aus deinem Leben. Eine Person findet die Kanzlerin super, der nächste eine totale Katastrophe. Die Kanzlerin IST einfach nur – jegliche Stempel, die wir ihr verpassen, sind Ausdruck unserer eigenen Meinungen, Glaubenssätze, Erfahrungen und Sichtweisen. Daher kann unser Umfeld auch als Spiegel dienen. Darüber habe ich hier bereits geschrieben.
Wenn du also wirklich etwas willst, dann nimm deine Interpretationen und Gefühle unter die Lupe und verändere sie gegebenenfalls. Im Fachjargon spricht man auch von Reframing. Setze dem Wahrgenommenen einen anderen Rahmen auf und du wirst andere Gefühle haben und anders handeln.
Mit diesem Wissen wünsche ich dir viel Freude. Nimm es spielerisch, genieße die Begegnung mit deinem eigenen Wahrnehmungsprozess. Lass dich von dir selbst überraschen und erkenne, was dadurch alles möglich wird!
Herzlichst, Katrin
Hallo Katrin,
da hast Du einen wichtigen Punkt angesprochen. Wir stecken Dinge und Menschen viel zu schnell in Schubladen. Der erste Eindruck ist dann oft nicht zu ändern. Ich versuche immer, offen zu sein, um Dinge und Menschen jederzeit neu zu bewerten.
Viele Grüße
Claudia
Liebe Claudia,
ich weiß gar nicht, ob es darum geht, Menschen zu bewerten. Ich glaube es geht eher darum, Menschen ganz ohne Bewertung so anzunehmen, wie sie sind. Ich habe im Rahmen meiner FSJ-Seminarleitung junge Menschen ein Jahr lang intensiv begleitet und bin dabei jedem Teilnehmer wertschätzend und offen begegnet. Einige FSJler haben sich in dem Jahr um 180 Grad verändert. Ich glaube diese Atmosphäre, „Jeder von Euch ist zu 100% OK so, wie er ist“, hat diesen Prozess sehr positiv beeinflusst. Oder meinst du das mit Bewertung?
Spannend diese deutsche Sprache 🙂
Liebe Grüße, Katrin
Liebe Katrin,
Du hast die Beispiele mit dem nackten Mann im Wald und dem mit der Kette gebracht, die dadurch sofort in die Schublade Spinner bzw. merkwürdig kamen.
Wenn man in solchen Momenten offen ist, überlegt man vielleicht mehrere Varianten, warum der Mann nackt war oder eine solche Kette trug, anstatt sofort eine Meinung zu bilden und in eine Schublade zu packen.
Es kommt immer auf die Perspektive an, man kann bei einer Absage zur Veröffentlichung seines Buches frustriert sein und aufgeben oder nach anderen Wegen suchen.
Zu Deinem Zitat „Gehe durch deinen Raum und sprich laut aus, was du siehst – ohne zu bewerten.“ Ich denke, dass jeder aus seinen eigenen Erfahrungen Dinge, Menschen und Situationen sehr schnell bewertet und sich dessen nicht immer bewusst ist, dass der Eindruck oder die Bewertung vielleicht in die falsche Richtung geht. Hier muss man sehr offen sein und hinterfragen, woher kommt z. B. meine Antipathie, meine Abneigung?
Das Wort bewerten ist vielleicht etwas zu stark, wenn es um den ersten Eindruck geht, der aber oft nicht korrigiert wird.
Die Wertschätzung und Offenheit, die Du anderen entgegenbringst, erhältst Du in der Regel auch zurück.
Viele Grüße
Claudia
Liebe Claudia,
danke für diese Ergänzung. Ich sehe – wir sind ganz auf einer Wellenlänge. Schön 🙂
Dass man Wertschätzung und Offenheit zurückhält, wenn man jemanden nicht so gut „bewertet“ sprich in eine negativ besetzte Schublade steckt, habe ich mir so noch gar nicht bewusst gemacht. Ich liebe diesen Austausch über den Blog! Danke, dass du deine Gedanken immer wieder mit mir und anderen teilst!
Liebe Grüße, Katrin
Hallo Katrin,
Deine Beiträge gefallen mir sehr gut, regen immer wieder zum Nachdenken an.
Gerade das mit dem Schubladendenken finde ich in meinem Umfeld oft sehr interessant, wie Leute ohne je etwas gesagt zu haben automatisch in eine „Schublade“ gesteckt werden.
Zum Thema Halskette – ich habe auch einen Freund, der ein ziemlich auffälliges Kreuz um den Hals trägt. Wenn man ihn nicht kennt, könnte man meinen er sei streng gläubig oder gar Pfarrer, aber der eigentliche Grund dafür ist einfach, dass es ein Geschenk seines Onkels war, der einige Tage danach gestorben ist.
Es gelingt mir nicht immer zu 100% – aber ich versuche, Aussagen und Eindrücke vorab einmal wertfrei zu betrachten und Leute nicht voreilig zu verurteilen.
Liebe Grüße
Florian
Lieber Florian,
danke dir für deine Ergänzung. Wenn du 100% wertfrei leben möchtest, würdest du dich in deinem wahrscheinlich um nicht viel anderes mehr kommen. Aber allein das Bewusstsein auf dem Thema zu haben verschönert den Alltag schon erheblich. Und macht vielleicht Träume wahr 🙂
Viel Freude dabei und ein herrliches Wochenende dir,
Katrin