Eines der menschlichen Grundbedürfnisse ist das Bedürfnis nach Sicherheit. In grauer Vorzeit war es überlebenswichtig, immer auf der Hut zu sein. Die Gefahr, dass uns heute ein Säbelzahntiger auflauert, ist relativ gering, doch das tief verankerte Bedürfnis nach Sicherheit sorgt auch heute noch dafür, dass wir uns vor allen möglichen Gefahren absichern – auch, wenn es dabei nicht mehr um Leben und Tod geht.
In diesem Artikel möchte ich dich dazu einladen, über dein eigenes Sicherheitsbedürfnis zu reflektieren und aufzeigen, wie du Unsicherheiten begegnen kannst.
Was ist eigentlich Sicherheit?
Laut Wikipedia ist Sicherheit ein Zustand, der als frei von unvertretbaren Risiken angesehen wird. Wann dieser Zustand erreicht ist, hängt von den Bedürfnissen eines jeden Einzelnen ab. Sicherheit ist also ein sehr individuelles Gefühl, welches kommt und geht. Aufgrund unserer Entwicklungsgeschichte ist das Bedürfnis nach Sicherheit tief in uns verankert und ihre Abwesenheit fühlt sich sehr unangenehm an. Wir versuchen also alles, um Sicherheit dauerhaft herzustellen:
- Wir bevorzugen den unbefristeten Arbeitsvertrag, auch wenn der Job eigentlich gar nicht das ist, was wir machen wollen.
- Wir verbiegen uns für unseren Partner und unsere Familie, auch wenn unsere eigenen Bedürfnisse dabei auf der Strecke bleiben.
- Wir schließen teure Versicherungen ab, um möglichst viele Eventualitäten abzusichern.
- Wir scheuen uns vor jeglicher Veränderung, weil wir ja nicht wissen, ob es besser wird, wenn es anders wird. Das Bekannte scheint sicherer als das Neue – also behalten wir das lieber bei.
- Wir lassen uns gegen die Grippe impfen, um möglichst unbeschadet durch den Winter zu kommen.
- Wir unterzeichnen Verträge mit zich AGBs, um keine böse Überraschung zu erleben.
- …
Wenn man genau darüber nachdenkt, scheinen einige der Dinge paradox. Wir leben in einem so sicheren Land, wie nirgends sonst. Verlieren wir den Job, zahlt das Arbeitsamt. Werden wir krank, zahlt die Krankenkasse. Verlieren wir unser Dach über dem Kopf, zahlt die Versicherung. Sind wir in einer Notlage, sind Polizei und Krankenwagen sofort zur Stelle. Doch das Bedürfnis nach Sicherheit ist so groß, dass wir sie oft an erste Stelle stehen. Und dabei gar nicht merken, wie viel Lebensqualität wir dadurch verlieren.
Viele Ideen und Träume bleiben für immer in der Schublade. Möglichkeiten rauschen ungenutzt an uns vorbei. Wir ordnen andere Bedürfnisse dem der Sicherheit unter und verschenken so viele einzigartige, lebendige Momente. Und all das aufgrund einer großen Illusion. Denn Sicherheit im Außen hat es noch nie gegeben und wird es nie geben – egal, wie viele Versicherungen wir abschließen. Sicherheit ist eben nur ein Zustand. Und die Welt ist voller Veränderungen.
Was du tun kannst
Du hast zwei Möglichkeiten, mit dieser Erkenntnis umzugehen. Du kannst ignorieren, dass Leben Veränderung ist, und alles versuchen, um dein Umfeld möglichst sicher zu gestalten. Einige Beispiele dafür habe ich oben genannt.
Oder, du kannst lernen, Unsicherheiten anzunehmen und mit ihnen umzugehen. Das kann umso leichter geschehen, je mehr Sicherheit du in dir selbst entwickelst. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Das ist nicht immer ganz einfach, doch sehr wirkungsvoll. Im Folgenden zeige ich dir einige Möglichkeiten auf, mehr innere Sicherheit zu gewinnen.
Erspüre dein Gefühl von Sicherheit
Schieße kurz die Augen und erinnere dich an einen Moment, an dem du dich sicher und geborgen gefühlt hast. Vielleicht, wenn du abends im Bett liegst oder am Sonntag auf der Couch. Spüre, wo du dieses Gefühl von Sicherheit in deinem Körper wahrnehmen kannst. Möglicherweise ist es ein wohliges Gefühl in deinem Bauch oder deine Herzregion wird ganz warm. Das ist dein ganz persönlicher Ort innerer Sicherheit. Versuche in den nächsten Tagen, ihn immer mal wieder wahrzunehmen und so besser kennenzulernen. Dann fällt es dir jedes Mal leichter, darauf zuzugreifen.
Lasse dir Zeit
Das Gefühl von innerer Sicherheit lässt sich nicht per Knopfdruck herstellen. Es genügt nicht, eine Pille einzuschmeißen und schon ist es für immer da. Innere Sicherheit zu gewinnen, ist ein Prozess. Es wird Zeiten geben, da erscheint es dir unmöglich den Ort der inneren Sicherheit zu finden – während es andere Phasen gibt, so du jederzeit ganz leicht darauf zugreifen kannst. Deine Atmung kann dir helfen, deinen Ort der inneren Sicherheit aufzusuchen. Fühlst du dich unsicher oder orientierungslos, schließe deine Augen und nimm 3-5 tiefe Atemzüge. Du wirst spüren, wie du mit jedem Atemzug etwas ruhiger wirst und deinem inneren Ort der Sicherheit ein Stückchen näher kommen kannst.
Meditiere täglich
Seit 5 Jahren meditiere ich – seit diesem Jahr zweimal täglich. Die Wirkung auf mein Leben ist sehr bereichernd, wie ich in diesem Artikel bereits beschrieben habe. Tägliche Meditationspraxis kann dir helfen, deinen Ort der inneren Sicherheit immer leichter aufzusuchen und in unsicheren Phasen darauf zurück zu greifen. Außerdem lernst du dich durch Meditation besser kennen. Unsere inneren Stimmen plappern pausenlos. In Momenten der Stille kannst du leichter erkennen, welche innere Stimme dir was zu sagen hat. Und welcher Stimme du wann folgen solltest. Möglicherweise ist die Stimme der Sicherheit nicht immer die beste Wahl.
Verbinde dich mit den Jahreszeiten
Ich habe viele Jahre gebraucht, um die Kraft der Rhythmen um uns herum schätzen zu lernen. Insbesondere die Jahreszeiten können uns lehren, dem Leben zu vertrauen. Denn nach einem Winter kommt IMMER der Frühling – vielleicht nicht so, wie wir uns ihn wünschen. Doch jedes Jahr sprießen die Blüten aus dem Boden, wachsen Blätter an den Bäumen – egal, wie hart der Winter war – egal, wie viel es im Frühling regnet. Wenn wir wieder lernen, bewusst mit den Jahreszeiten zu leben, die Unterschiede wahrzunehmen, dann können wir mit der Zeit wieder in den Fluss des Lebens vertrauen. Und dieser kann eine große Sicherheitsquelle sein – insbesondere in turbulenten Zeiten ist es hilfreich sich zu erinnern: Nach turbulenten Zeiten kommen ruhige, nach Tiefs kommen Hochs, nach heftigen Rückschlägen geht es wieder vorwärts.
Genieße Zeiten der Unsicherheit
Zeiten der Unsicherheit gehören genauso zum Leben dazu wie Zeiten der Sicherheit. Lerne auch diese zu genießen, das Beste aus ihnen herauszuholen. Dann kannst du in diesen Phasen viel lernen, an den Erfahrungen wachsen und so immer näher an deine eigene innere Sicherheit gelangen. Außerdem wäre alles andere langweilig. Stell dir vor, du wüsstest heute, wo genau du in 3 Jahren und 5 Tagen bist. Auch, wenn wir uns manchmal danach sehnen, genau das vorhersehen zu können (ich kenne diesen Wunsch selbst nur zu gut), wäre es doch langweilig, wenn wir ganz ehrlich zu uns sind.
Fazit
Wir leben in wirklich turbulenten Zeiten. Egal mit wem ich spreche – Veränderungen im Großen wie im Kleinen scheinen an der Tagesordnung eines jeden Einzelnen. Oftmals hält uns unser Bedürfnis nach Sicherheit zurück, Veränderungen bewusst und aktiv einzuleiten – und so werden wir gezwungen zu reagieren, anstatt zu agieren. Wenn du dein Leben bewusst gestalten möchtest, dann öffnet dein innerer Ort für Sicherheit dir unendliche Möglichkeiten. Nutze Sie – weil deine Lebenszeit kostbar ist.
Du hast weitere Tipps, wie man innere Sicherheit gewinnen kann? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Deine Katrin
Guten Morgen, liebe Katrin,
dein heutiger Artikel macht mir ein ganz wohliges Gefühl und die Sicherheit, dass ich nicht alleine bin mit meinen Unsicherheiten. Ich habe erst vor kurzem das Meditieren für mich in mein tägliches Leben integriert, nicht dass ich es nicht schon oft versucht hätte, im Gegenteil. Aber erst jetzt ist der Knoten geplatzt und ich kann mich wirklich einlassen.
Fröhliche Grüße zu dir nach Bonn und herzlichen Dank für deinen wunderbaren Artikel,
Anette
Liebe Anette,
oh nein – mit deinen Unsicherheiten bist du bei weitem nicht allein. Erst gestern hatte ein Kunde von mir wieder das Thema! Und ich durfte heute wieder merken, wie sehr Unsicherheit uns manchmal hemmt. Ich wusste nicht, wann ich den Schlüssel zu meinem neuen Haus bekomme und habe daher keine einzige Kiste packen können. Jetzt steht fest: Heute bekomme ich die Schlüssel und plötzlich wird das Kisten packen und Umzug planen ganz leicht 🙂
Ich wünsche dir einen schönen Tag!
Viele Grüße, Katrin
Hallo Katrin,
das hast Du sehr schön beschrieben die innere Unsicherheit. Du hast Recht, Versicherungen, AGBs und sonstige äußere Dinge geben nicht wirklich Sicherheit, die muss von innen kommen.
Viele Grüße
Claudia
Liebe Katrin,
danke für diesen Text.
Zu diesem Thema fällt mir ein schönes Zitat von der blind-tauben Schriftstellerin Helen Keller ein:
„Sicherheit ist meistens ein Irrglaube. Sie kommt in der Natur nicht vor und auch die Menschheit erlebt sie kaum. Gefahren zu vermeiden ist langfristig gesehen, nicht sicherer als sich (dem Leben) völlig auszusetzen. Das Leben ist entweder ein kühnes Abenteuer, oder gar nichts.“
Ich denke, das fasst schön zusammen, dass es keine vollständige Sicherheit im Leben geben kann und dass es besser ist, wenn man sich mit dieser Tatsache anfreundet.
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Andrea,
danke für das schöne Zitat, welches ich noch nicht kannte. In der Tat ist das Leben ein Abenteuer – wenn man sich drauf einlässt. Und dann kann es ein einzigartig schönes Abenteuer werden! Das Schöne daran ist, jeder kann jederzeit selbst entscheiden, wie weit er sich in das Abenteuer begibt oder eben nicht.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende,
Viele Grüße, Katrin
Danke für diesen schönen Artikel! Er spricht mir aus der Seele. Ich begebe mich täglich an diesen inneren Ort der Sicherheit – ich nenne ihn auch meinen Seelenraum. Es sind oft nur ein paar Minuten am Tag denn mehr Zeit hab ich oft nicht (3 kleine Kinder, etc…) aber es hilft sehr. Ich war durch posttraumatische Belastungsstörungen gezwungen etwas an meinem Leben und dem Umgang mit mir zu ändern und immer wieder mein Nervensystem zur Ruhe zu bringen. Der sichere innere Raum ist eine wunderbare Methode dafür und man lernt sehr gut wieder in Kontakt mit sich selber und seinen Bedürfnissen zu treten. Mittlerweile beherrsche ich es auch mich nur mittels einem „Erkennungszeichen“ (überkreuzen der Finger oder was einem beliebt) in diesen Raum zu begeben. Das ist dann sehr hilfreich wenn es akut ist und man gerade keine Zeit hat sich wirklich zurück zu ziehen (wenn man unterwegs ist oder unter vielen Leuten)…und das wichtigste: durch tägliches üben gelingt es immer leichter dorthin in die Stille zu gelangen. Ich möchte das in meinem Leben nicht mehr missen…
Liebe Costasmum,
danke, dass du deine Erfahrungen hier so offen mit mir und anderen Lesern teilst. Erst letztens hatte ich wieder einen Kunden, der sagte „Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass Unsicherheit zum Leben dazu gehört“. Ich werde ihm deinen Kommentar weiterleiten, damit er auch aus einer anderen Perspektive lesen kann, dass der Ort der inneren Sicherheit viel Halt und Ruhe schenken kann.. Seelenraum finde ich eine sehr schöne Bezeichnung dafür 🙂
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende,
Liebe Grüße, Katrin
Liebe Katrin,
danke für den Text. Du hast dieses schwierige Thema sanft und verständlich umschrieben, das bringt mich weiter.
Sicher fühle ich mich auch, wenn ich entspannt bin. Außerdem glaube ich, dass der Wert „Ehrlichkeit“ extrem zuträglich ist, auch weil eigene Bedürfnisse besser durchgesetzt und wahrgenommen werden können, von anderen und von einem selbst. Jegliche Scham- und Schuldgefühle sind zudem hinderlich und können alsbald über Bord geworfen werden.
LG
Lieber B.,
danke für deine Rückmeldung. Den Text habe ich vor vielen Jahren geschrieben und gerade selbst nochmal gelesen. Das Thema ist ja aktueller denn je. Ich freue mich, dass du Impulse für dich mitnehmen konntest. Entspannung finde ich auch als hilfreich. Wenn ich entspannt bin, haut mich so schnell nix um. Und ja – auch Ehrlichkeit ist so wichtig. Wie du so schön schreibst: Dann können auch von einem selbst die Bedürfnisse besser wahrgenommen werden. Ich selbst war viele Jahre nicht ehrlich zu mir (ohne mir dessen bewusst zu sein) und habe das Leben oft als Kampf empfunden. Wenn ich mir meine Bedürfnisse eingestehe, reicht es oft schon. Wenn ich es dann noch schaffe, sie zu kommunizieren, ist super – doch meiner Erfahrung nach dann gar nicht mehr so wichtig.
Ich wünsche dir weiterhin alles Gute für deinen Weg.
Liebe Grüße Daria Katrin