Seit Jahren praktiziere ich mit Leidenschaft Yoga. Unsere Yogalehrerin nimmt in den Stunden verschiedene Themen als Schwerpunkt. Seit einiger Zeit begleitet uns das Thema Verstand. Da der Verstand meiner Meinung nach ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit BewusstSein darstellt, möchte ich hier gerne einige meiner Erfahrungen und Gedanken mit dir teilen.
Es ist gut, dass wir den Verstand haben – er ermöglicht uns das Denken! Er hilft uns, Entscheidungen zu fällen, Meinungen zu bilden und die Welt in gehirngerechte Häppchen zu teilen. Für den Verstand sind unsere Erfahrungen wichtig. Anhand derer bildet er ruckzuck Kategorien, in die wir Geschehnisse unbewusst einsortieren. Und das ist gut, um mit den alltäglichen Dingen der Welt zu Recht zu kommen. Leider gaukelt er uns jedoch häufig vor, dass wir als Mensch nur aus Verstand bestehen. Wir sind dann gar nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass diese Kategorien vom Verstand geschaffen wurden und nicht der Realität entsprechen. Er setzt uns häufig Grenzen, die wir als gegeben hinnehmen, ohne diese jemals zu hinterfragen.
Dazu ein Beispiel aus meiner Yogastunde: Wir halten die einzelnen Yogastellungen häufig sehr lange. Schon nach kurzer Zeit sagt mein Verstand „Ok, das reicht jetzt, du kannst nicht mehr“. Zu Beginn, habe ich diesem Impuls häufig nachgegeben und die Übung beendet. Seitdem mir bewusst ist, dass dieses „Du kannst nicht mehr“ lediglich aus dem Verstand kommt, halte ich die Übungen wesentlich länger. Anfangs hat er schwer gemeckert, meinen Körper zittern zu lassen und mich böse beschimpft. Durch meine eigene BewusstSeinsArbeit weiß ich jedoch, dass ich mehr bin, als nur mein Verstand und kann jeder Übung ein inneres Lächeln schenken.
Der Verstand ist außerdem ein Meister des Urteilens. Bevor wir es selbst wissen, hat er das Verhalten eines Mitmenschen oder die Aussage eines Kollegen schon bewertet und in eine Schublade gesteckt. In unserem BewusstSein kommt an: „Was diese andere Person sagt, denkt, fühlt ist falsch.“ Und schon stecken wir mitten drinnen in einer Diskussion über Schuld, Richtig und Falsch. Aber gibt es „Recht haben“, Richtig und Falsch eigentlich?
Hier ein Beispiel: 1+1=2. Aus mathematischer Sicht vollkommen richtig. Aber aus biologischer Sicht? Da macht 1+1 in der Regel =1, oder auch mal 2 oder 3 oder 4. Wer hat also Recht, wenn er sagt, wie das Ergebnis von 1+1 lautet? Wer hat Recht, wenn er sagt „Diese Idee ist besser“ oder „So räumt man richtig auf“? Je nachdem, welche Erfahrungen, Werte, Sichtweisen und Wünsche man hat, ist das Eine „richtig“ oder manchmal eben auch das Andere.
Deine Katrin
Hallo Katrin!
Was Du da beschreibst kenne ich sehr gut!
Ich bin am Samstag 178km mit dem rad gefahren. Darin enthalten eine Steigung, die es bekannterweise im Münchner Umland in sich hat: 250 Höhenmeter auf 5km verteilt – es geht den Kesselberg hoch zum Walchensee. Die Route ausgesucht habe ich mich am Dienstag vor besagtem Samstag. Mein Kopf/ Verstand sagt mir: vorsicht/ achtung: das ist bislang die länsget Strecke, die Du je gefahren bist und dann auch noch so eine Hammersteigung (die fängt dann nach 80km an). Mein gefühl war da erst mal ehrfürchtig vor. Hat dem Verstand gelauscht… Hat aber auch die Ruhe bewahrt und sich gesagt: ok, ist es eben steil – ich hab Zeit und bin gut trainiert. Wie es dann so weit war und ich in Kochel am See den Aufstieg begann, war alles quasi harmlos. Ich bin in entspannter Kondition unten losgefahren und nach 17 Minuten war ich oben. Lockererweise hab ich auf dem Weg auch noch andere Radfahrer überholt. Ich konnte zwar nicht verstehen, warum mir ein Radfahrkollege nur ein sehr mürrisches „Moin“ zuwarf, als ich vorbeifuhr und ihn grüße, aber ok – vielleicht war er grade sehr in Gedanken vertieft…
Was ich sagen will: unser Verstand denkt sicher schnell in Schubladen und Kathegorien – das finde ich erst mal auch gut so. Es macht uns schnell in unseren Entscheidungen und schützt uns vor Gefahren. Sicherlich bleibt dabei einiges auf der Strecke, was eben nicht in Schubladen paßt. Weil es einfach zu sperrig ist oder es dafür einfach noch keine Schublade gibt. Was mir sehr geholfen hat ist das vertieft rethorisch benutzte „aber“. Nach dem Motto: „aber wie könnte es auch sein?“ Was wir brauchen ist eine Art „Gegenverstand“. Etwas, was verhindert, dass wir schnell die Schubladen benutzen. Für mich eine sehr gute Hilfe, erst mal den Gedankenstrom zu stoppen und zu sehen, was da noch ist – die Perspektive für Möglichkeiten zu öffnen – und so auch mehr Gefühl in die Sache rein zu bringen. Durch mein radeln frag ich mich sicher hunderte Male auf dem Rad, wie es mir grade geht. Wie ich und wie mein Körper sich fühlt. Genau diese Frage kann man dann wunderbar bei so einem „Gedankenstop“ mit einbauen – während man zuschaut, wie „Verstand“ und „Gegenverstand“ sich unterhalten… Coole Sache!
In diesem Sinne!
Boris
Lieber Boris,
danke für deinen Kommentar. Mir ging es gestern beim laufen übrigens genauso – irgendwann wurde meinem Verstand die Sonne zu heiß. Dafür war er um so stolzer, als ich ohne Pause wieder zu Hause angekommen bin. Ich wünshe dir einen guten Start in die Woche,
viele Grüße aus Bonn,
Katrin